Rückenschmerzen - Zahlen, Fakten, Trends
Rücken, Rücken und kein Ende…
Rückenschmerzen sind und bleiben wohl auch in den nächsten Jahren ein aktuelles Thema.
Betrachtet man aktuelle Studien zur Häufigkeit, so wird deutlich, dass die Zahlen konstant hoch sind und in den letzten Jahren, wahrscheinlich lebensstilbedingt, tendenziell sogar noch zugenommen haben. 35% der Deutschen hatten in der letzten Woche Rückenschmerzen, 60% im letzten Jahr und innerhalb des gesamten Lebens sind 80% der Deutschen einmal von Rückenschmerzen betroffen.
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind entsprechend beeindruckend: 9% der Krankheitstage in Deutschland entstehen durch Rückenprobleme. Damit liegen Rückenprobleme auf Platz 1 der Ursachen für eine Krankschreibung.
Alarmierend sind auch die Zahlen zur Chronifizierung und zu bestehender langfristiger Arbeitsunfähigkeit: Nach einem Krankenstand von 6 Monaten kehren nur 50% der Betroffenen an ihren Arbeitsplatz zurück; nach einem Jahr sind es sogar nur noch 20%.
Diese Zahlen belegen die Relevanz des Themas. Für den einzelnen betroffenen Patienten stehen sie jedoch nicht im Zentrum des Interesses.
Die Patienten und wir als behandelnde Ärzte interessieren uns eher dafür, welche Ursachen im indivduellen Fall für die Rückenschmerzen verantwortlich sind oder ihr Entstehen begünstigen und welche Lösungsansätze sich daraus ergeben.
- Akute Rückenschmerzen: kürzer als 6 Wochen
- subakute Rückenschmerzen: 6 bis 12 Wochen
- Chronische Rückenschmerzen: länger als 12 Wochen
Eine andere häufige Einteilung, auf die Patienten treffen, wenn sie sich im Netz informieren, unterteilt in spezifische Rückenschmerzen und unspezifische Rückenschmerzen. Spezifischen Rückenschmerzen soll dabei ein sog. “morphologisches Korrelat“ zugrunde liegen. Das heißt, dass diese Schmerzen auftreten, weil eine Veränderung der Struktur vorliegt. Man könnte auch sagen, dass „wirklich etwas strukturelles am Rücken kaputt ist“. Bei unspezifischen Rückenschmerzen soll es sich hingegen um „funktionelle Störungen“ handeln, d.h. vereinfacht, „es ist nichts kaputt, sondern nur die Funktion ist gestört“. Bei geeigneter Therapie sind diese funktionellen Störungen also komplett umkehrbar. Andere Autoren definieren unspezifisch, als „nicht einer spezifischen Ursache zuordnenbar“, die Ursache ist also entweder multifaktoriell oder eine Ursache ist nicht auffindbar. In der Praxis ist diese Hypothese zwar als Denkmodell hilfreich, trennscharf ist diese Einteilung aber nicht (so geben manche Autoren allen Ernstes Prozentzahlen für diese beiden Gruppen an). Dass diese Einteilung nicht trennscharf ist, erlebt jeder Behandler von Rückenschmerzen täglich in seiner Praxis. So finden sich im Kernspin insbesondere des älteren Patienten zahlreiche Veränderungen der Struktur, die zu keinerlei Beschwerden führen, viele spezifische Probleme sprechen auf funktionelle Therapien an und andererseits finden sich auch funktionelle Probleme, die auf funktionelle Therapien nicht ansprechen. Letzeres Phänomen alleine auf eine psychische Belastung oder Verhaltensmuster des Patienten zurückzuführen, greift in vielen Fällen zu kurz und kann Patienten unnötig stigmatisieren. Auf der anderen Seite dürfen psychosoziale Faktoren auch bei sog. „spezifischen Rückenschmerzen“ nicht außer acht gelassen werden. Das Verständnis des jeweiligen individuellen Ursachengefüges ist die Königsdiziplin in der Behandlung von Rückenschmerzen. Diese benötigt neben Erfahrung vor allem Zeit und kann nur in einer vertrauensvollen Atmosphäre gelingen.
Yellow flags, also gelbe Flaggen, sind Faktoren, die eine drohende Chronifizierung von Rückenschmerzen begünstigen. Dazu gehören verschiedene Gruppen von Risikofaktoren:
psychische Risikofaktoren:
- Depressionen
- negativer Stress
- Denkmuster, die um den Schmerz kreisen
- Neigung zur Somatisierung (hierbei werden Symptome, deren Ursache z.B. psychosoziale Belastungen sind, trotzdem körperlichen Erkrankungen zugeschrieben. Eine Einsicht, dass die Ursache nicht in einer körperlichen Erkrankung liegt, fällt dem Betroffenen schwer)
- Angst-Vermeidungs-Verhaltensmuster
berufliche Risikofaktoren:
- körperliche Schwerarbeit, monotone Körperhaltung, Bewegungsmangel
- geringe berufliche Qualifikation und berufliche Unzufriedenheit
- Konflikte am Arbeitsplatz
Risikofaktoren durch Behandler und Umfeld:
- einseitige Fixierung auf körperliche pathologische Befundung
- Förderung/Auslösung von Angst Vermeidungs-Verhaltensmuster
- fehlende Ermunterung zu aktivem Verhalten und aktiver Therapie
Aus den Studien zu den Yellow Flags, kann jeder Patient für sich ableiten, was er tun kann, um eine langfristig günstige Perspektive zu haben:
- aktiv bleiben
- dem Schmerz aktiv handelnd gegenüberstehen
- erkennen, dass Schmerzempfinden auch von anderen Faktoren beeinflusst wird und den Rückenschmerz ggf. als Chance begreifen. Erkenne ich als Patient, dass mein Schmerz z.B. von beruflicher Unzufriedenheit negativ beeinflusst wird, kann der Schmerz ein Anlass sein, Dinge zu verändern.
- optimistisch bleiben. Der absolute Großteil der Rückenschmerzen lässt sich sehr gut behandeln und viele Probleme verschwinden sogar von selber wieder
- körperliches Training in den Alltag einbinden. Körperliches Training ist nach aktueller Studienlag, das wirksamste Mittel, um das Vermeiden von Rückenschmerzen langfristig zu erreichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Training dauerhaft durchgeführt wird, steigt, wenn es
- mir Spaß macht
- ich von seiner Wirksamkeit überzeugt bin
- zu meinen körperlichen Vorraussetzungen passt
- nicht zu Konflikten mit meinen beruflichen und familiären Verpflichtungen führt
- ich Gleichgesinnte finde
Die Patienten, die durch eine erfolgreiche Behandlung und begleitende Beratung frühzeitig wieder aktiv werden und die Anforderungen des alltäglichen Lebens erfolgreich meistern, chronifizieren signifkant seltener.
Rückenexperten wie Prof. Michael Mayer mahnen bereits seit Jahren eine frühe und gewissenhafte Diagnose an. Je schneller und genauer sie gestellt wird, desto gezielter kann die Therapie einsetzen und umso besser können deren Ergebnisse beurteilt werden. „Es ist erstaunlich, dass auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch die Meinung vorherrscht, die Mehrzahl der Rückenschmerzen sei „unspezifisch“, also in gewisser Weise grundlos.“ so Mayer in einem Interview.
Damit soll keine Lanze für eine flächendeckende Früh-MRT-Diagnostik gebrochen werden; es sollte aber bereits in der Frühphase eine sorgfältige Anamnese und eine gründliche körperliche Untersuchung erfolgen.
Gerade bei akuten, starken Schmerzen, wie z.B. beim akuten „LWS-Syndrom“ lässt sich in der Regel leicht feststellen, welche Struktur im Bereich des unteren Rückens betroffen ist. Der Begriff LWS-Syndrom steht schließlich übersetzt ausschließlich für die Tatsache, dass der Patient Schmerzen im unteren Rücken empfindet.
Akute Rückenschmerzen sind unserer Erfahrung nach häufig eben nicht „unspezifisch“. Gerade wenn der Schmerz in stärkerer Form über mehr als 3 Wochen anhält, der Patient mit Schonung reagiert, die akuten Schmerzen nicht so weit beseitigt werden, dass eine Aktivität möglich ist und der Patient mit einer invalidisierenden Diagnose alleingelassen wird, ist die oben beschriebene „erste Chance“ verpasst.
Dieses Gelenk zwischen dem Kreuzbein (Sacrum) und dem Darmbein (Ilium) kann dabei aufgrund unterschiedlicher Ursachen schmerzen.
Möglich sind z.B. Blockierungen, degenerative oder entzündliche Veränderungen des Gelenkes, oder Schmerzen im umgebenden Bandapparat. Auch nahe gelegene Muskeln oder Faszien können schmerzauslösend sein.
Gerade bei akuten und starken Schmerzen ist eine Zuordnung von Schmerzen im Rahmen einer körperlichen Untersuchung häufig gut möglich, wodurch eine gezieltere und damit erfolgreichere Therapie erfolgen kann.
Ein kurzer Tipp zur Sitzhaltung bei Schreibtischtätigkeit: Keine Sitzhaltung ist so optimal, dass sie dauerhaft eingenommen werden sollte. Die beste Haltung ist immer die nächste! Kommt Stress im Büro dazu, ergibt sich ein weiteres Problem. Die Ausschüttung von Stresshormonen hemmt akut die Schmerzwahrnehmung, weshalb die Schmerzen nicht in der Phase des angespannten Sitzens, sondern erst verspätet wahrgenommen werden.
Die Beratung von Rückenschmerzpatienten wird oft unterschätzt. Hierbei geht es in der Mehrzahl der Fälle nicht um eine psychologische Beratung sondern um die Beratung durch Experten, auf der Grundlage der individuellen Bedürfnisse des Patienten. Ziel einer solchen Beratung ist es, dem Patienten für ihn individuell-relevante Zusammenhänge aufzuzeigen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Die Beratungsfelder sind dabei sehr breit gesteckt und können im Regelfall nur im Team kompetent erbracht werden. Inhalte reichen dabei von Schlafstörungen, die eng mit Rückenschmerzen verbunden sein können, bis zu Übergewicht, welches über mehrere Wege einen ungünstigen Einfluss nehmen kann (resultierender Bewegungsmangel, Stress, muskuläre Dysbalancen, metabolische Begünstigung von entzündlichen Prozessen).
Zusammenfassend lässt sich also subsumieren, dass die Einnahme von NSAR für den akuten Rückenschmerz eine sinnvolle Therapieoption darstellen kann, dass von deren dauerhaften Einnahme für den chronischen Rückenschmerz aber sicher abgeraten werden muss.
Sogenannte „multimodale Konzepte“ gelten als zukunftsweisend. Durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Expeten werden Rückenschmerzen ganzheitlicher therapiert.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die ausgeprägte Wirksamkeit von körperlichem Training. Auch in der Primärprävention von Rückenschmerzen (Maßnahmen, damit ein Rückenschmerz gar nicht erst auftritt) zeigt körperliche Aktivität ausgeprägte Effekte (Evidenz der Kategorie A des Oxford Center for Evidence Based Medicine).
- Bewegen Sie sich.
- Trainieren Sie Ihre Muskeln, ganz besonders Ihre tiefen Rückenmuskeln.
- Geben Sie dem Stress keine Chance, denn dieser kann die Chronifizierung ungünstig beeinflussen. Wenn Sie selber einen Zusammenhang zwischen psychischem Stress und dem Auftreten von Rückenschmerzen beobachten, ist es oft hilfreich, entspannende Maßnahmen in das Therapiekonzept zu integrieren. Ob dies Yoga, Ausdauertraining, Massagen oder andere Maßnahmen sind, kann niemand so gut beurteilen, wie Sie selbst.
- Schauen Sie optimistisch in die Zukunft. Auch ein Bandscheibenvorfall muss Sie nicht dauerhaft beeinträchtigen.
- Manche Patienten und Therapeuten machen gute Erfahrungen mit sog.“Schmerztagebüchern“. Wichtig ist, daß Sie zum Handelnden werden, anstatt sich dem Schmerz einfach auszuliefern.
- Muskelverspannungen reagieren häufig positiv auf Wärmeanwendungen, z.B. mit Körnerkissen. Diese kosten weniger als 10,-€ und können unbegrenzt oft in der Mikrowelle wiedererwärmt werden. Heiße Wickeln, z.B. mit Ingwer haben häufig einen noch stärker muskelrelaxierenden Effekt.
- Ergänzen Sie schulmedizinische Therapie (wie z.B. gezielte Injektionen, Elektrotherapie, kurzzeitige effektive medikamentöse Schmerztherapie und Muskelrelaxation) mit alternativen Heilverfahren (wie z.B. Akupunktur, Manuelle Medizin oder Phytotherapie (z.B. Teufelskralle-Präparate).) Letztere zeichnen sich insbesondere dadurch aus, daß kaum Nebenwirkungen auftreten. Da Therapien bei Rückenschmerzen häufig einen längeren Zeitraum umfassen, gewinnt dies eine besondere Bedeutung.
Wie lange sollte ich warten, bis ich mit der Therapie beginne?
In aktuellen Guidelines wie z.B. den Veröffentlichungen der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG) wird von passiven Maßnahmen wie z.B. Massagen oder Akupunktur in den ersten 12 Wochen abgeraten.
Statt dessen steht hier der Rat zu körperlichen Aktivitäten.
Die Motivation zu solchen Empfehlungen kann man nur nachvollziehen, wenn man die Auswahl von Therapiewegen hier als Grundsatzentscheidung sieht und eine zwingende Entscheidung nach dem Motto „was ist langfristig besser: aktiv oder passiv?“ fällen möchte.
In der Praxis ist jeder Fall anders und wir sehen viele Patienten, bei denen eine einleitende passive Therapie erst die Durchführung von aktiven Maßnahmen ermöglicht.
Die passive Therapie ist hier also gar kein Verhinderer oder Gegenspieler aktiver Therapien, sondern Wegbereiter und Ergänzung.
Wenn Sie merken, dass Ihnen passive Maßnahmen gut tun, dann können Sie diese also weiterhin mit gutem Gewissen nutzen und es spricht auch nichts dagegen, dass sie diese sogar genießen.
Was diese Autoren aber zurecht anmahnen, ist, dass eine rein passive Therapie auf Dauer keine Alternative und keine Lösung des Problems darstellt. Wenn passive Therapien zur Passivität des Patienten führen, ist das kritisch zu sehen.
Eine aktive Entscheidung eines Patienten zu wirksamen passiven Therapien, von denen er weiß, dass sie ihm rasche Schmerzfreiheit und damit Aktivität ermöglichen, ist aber kein passives Verhalten, sondern eine aktive Entscheidung des Patienten. Der geäußerte Wunsch des Patienten, wirksame Therapiemaßnahmen zu finden, die ihm individuell ermöglichen, rasch wieder schmerzfrei und damit aktiv zu werden, erleben wir im täglichen Alltag als sehr hilfreich.
Die Verwechslung von Passivität des Patienten und der Zuhilfenahme passiver Therapien ist daher zuweilen Ausdruck einer mangelnden Reflexion dieser aus unserer Sicht sehr wichtigen Thematik.
Die Frage, was besser ist, sollte entsprechend ersetzt werden durch die Frage: Wie können sich passive und aktive Therapien optimal ergänzen?
Eine weitere sich hier anschließende Frage ist, wann diese Maßnahmen zum Einsatz kommen sollen. Wir wollen an dieser Stelle sicher nicht für eine verfrühte Übertherapie von Rückenschmerzen werben, da auch wir in unsere täglichen Praxis die Erfahrung machen, dass Patienten zu einem Termin erscheinen und berichten, dass der Schmerz mittlerweile von alleine weitgehend abgeklungen ist. Rückenschmerzen aber erst einmal über einen Zeitraum von 12 Wochen zu beobachten, ist aber nicht nur unangenehm, sondern auch nicht zielführend. Hier sollten effektiv und schnell-wirkende Therapiemaßnahmen zum Einsatz kommen. Bei hochakuten Rückenschmerzen kann z.B. die Schädelakupunktur nach Yamamoto zum Einsatz kommen, bei der ein Therapieeffekt bereits nach 2 Minuten abprüfbar ist.
Der Schmerzexperte Prof. Hans-Raimund Casser fasst es in einem Grundsatz griffig zusammen: „ Erster Schmerz – erste Chance etwas dagegen zu tun!“
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